Mieter*innen-Echo | 304 | 2004
Julia Oppermann
Die GSW, das Land Berlin und der dreiköpfige Höllenhund Cerberus.
Noch ist der Vertrieb von Hedge Fonds in Deutschland nicht zulässig, doch ist das für Sarrazin, Fugmann-Heesing und Co. kein Grund, einem Hedge Fonds Berliner Wohnungen verweigern zu wollen. Hedge Fonds sind das gegen-wärtig letzte Produkt kapitalistischer Geschäftemacherei. Mit klassischer‚ Mehrwertproduktion hat das alles nichts mehr zu tun, aber viel mit Aas-geierei. Wobei den nützlichen Vögeln durch solchen Vergleich großes Unrecht angetan wird. Denn trotz ähnlichen Existenzprinzips wirken Aasgeier der Verwesung entgegen, Hedge Fonds hingegen führen sie herbei indem sie nur die lukrativen Partien ihrer Beute verwerten.
Ulric Papendick schreibt im Manager Magazin über den sehr erfolgreichen Hedge Fonds Cerberus: »Der Name passt. Feinbergs Firma Cerberus Capital Management hat sich auf ein Geschäft spezialisiert, mit dem andere Finanz-institute wenig zu tun haben wollen. Be-teiligungsfonds wie Cerberus investieren mit Vorliebe in Unternehmen, die kurz vor dem Bankrott stehen. Die Methoden der Fonds-manager suchen selbst an der wenig zim-perlichen Wall Street ihresgleichen. Die Investmenthäuser kaufen den Kreditgebern von Pleitekandidaten die Schulden ab und über-nehmen als größter Gläubiger die Kontrolle im Unternehmen. Dann verkaufen sie die Firmen weiter – oder sie schlachten sie aus. „Vultu-res“, Geier, wird diese Spezies von Investoren im Finanzjargon genannt. Ein Begriff, der sowohl die Funktion der Branche als auch ihre Vorqehensweise treffend beschreibt.«
Offenbar sind solche »Geier« gerade der richtige Verhandlungspartner für die Spezies von Politikern, die mit unverkennbar morbider Lust soziales Kapital der Vernichtung zuführen, indem sie es auf den Markt schmeißen und folgerichtig hat der Höllenhund aus New York auch für die GSW (Gemeinnützige Siedlungs-und Wohnungsbaugesellschaft Berlin mbH) geboten.
Abgaben zu Gunsten des Haushalts
»Entwickelt und getestet haben die Geier-Fonds ihr fundamental-kapitalistisches Ge-schäftsmodell – wie könnte es anders sein – in den USA. Von den Unternehmen, die ihnen dort unter die Krallen gekommen sind, ist oft kaum noch etwas übrig geblieben,« so das Manager Magazin weiter.
Man muss dem Höllenhund Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er kann nur dort wirken, wo ihm zuvor der Boden bereitet worden ist. Ein Unternehmen muss bereits zum Sanie-rungsfall geworden sein, bevor die Leichenfledderei beginnt und dass dies bei den Berliner Wohnungsbaugesellschaften der Fall ist, geht nicht zulasten von Cerberus, sondern gehört u.a. zu den Verdiensten des ehemaligen – inzwischen selbst dem politischen Hades überantworteten – Stadtentwicklungssenators Peter Strieder.
Anstatt die Wohnungsbaugesellschaften politisch zu kontrollieren, zu ordentlichem und sozialen Arbeiten anzuhalten, dienten diese einer Senatspolitik, die selbst nur von der Hand in Mund lebte, als auszuweidende Objekte. Zwar gehören alle Gesellschaften dem Senat, aber eine Gesellschaft musste die andere kaufen und den Erlös abführen. Außerdem mussten Sonderdividenden durch den Kauf von virtuellen Grundstücken geleistet werden. Alles in allem konnte man auf diese Weise 1,8 Mrd. Euro des Gelds, das sich unter anderem durch die Mieteinnahmen angesammelt hatte, den Wohnungsbaugesellschaften entziehen.
Und weil auch das nicht reichte, wurden sie kostenpflichtig in die abenteuerliche Berliner Stadtentwicklungspolitik eingespannt, wie zuletzt die DEGEWO (Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues, gemeinnützige Aktiengesellschaft) bei dem über-flüssigen sich in der Planung befindenden Renommierprojekt, dem Multifunktionszentrum zwischen Jannowitzbrücke und Alexander-platz.
»Einer der reichsten Geier-Fonds weltweit«
Den Erfolg dieser Politik konnten die Unternehmensberater von Ernst und Young, deren globale Aufgabe darin besteht, der Privatisierung von öffentlichem Vermögen weltweit den Anschein von Vernunft zu verleihen, nicht ohne Süffisanz in ihrem von der Senatsverwaltung in Auftrag gegebenen Bericht konstatieren und die immer gleiche Empfehlung, die sowieso jeder, insbesondere ihr Auftraggeber, von ihnen erwartet hatte, aussprechen: Die Gesellschaften seien so überschuldet, da helfe nur, sie an private Investoren zu verramschen.
Auf die privaten Interessenten, die Gebote abgegeben haben, können die Verkäufer Sarrazin, Fugmann-Heesing und Co. stolz sein. Es waren neben dem Pensionsfonds Lone-Star, der sich schon in Hellersdorf eingedeckt hatte, der Finanzjongleur Soros und eben der letztlich erfolgreiche Hadeswächter Cerberus.
Gegründet wurde das traditionsreiche Unternehmen 1992 von dem damals 32-jährigen Stephen Feinberg. Ulrich Papendick weiß im Manager Magazin mitzuteilen: »Der Höllenhund ist einer der reichsten Geier-Fonds weltweit. Und Feinberg einer der reichsten Finanzakrobaten: 1999 tauchte der Princeton-Absolvent, damals 39, mit einem geschätzten Privatvermögen von 274 Mio. Dollar auf der »Fortune«-Liste der 40 reichsten Amerikaner unter 40 auf. Seit der Gründung des Fonds hat Cerberus 25 Mrd. Dollar in etwa 300 Unternehmen rund um den Globus investiert. Die Firma zählt unter anderem den ehemaligen US-Vizepräsidenten Dan Quayle zu ihren Beratern.«
Sozial gesehen, ist es sicherlich zu begrüßen, dass der Ex-Vize-Präsident nicht gänzlich arbeitslos geworden ist. Aber in New York, dem Firmensitz hat er nur noch ca. 200 Kollegen. In Deutschland, wo eigens djr Cerberus Deutschland GmbH zu dem Zweck gegründet wurde, über drei bis vier Mrd. Euro hauptsächlich im Immobilienbereich zu ver-senken, sind bisher ganze 17 Beschäftigte mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut.
Ihr Geschäftsführer Ralph Winter, Senior Vize Präsident, erläuterte unlängst die unterneh-merischen Kalkulationen. Modernisierungen und Instandhaltungen mit entsprechenden Mieterhöhnungspotenzialen erschienen mit großen Risiken behaftet. Der Markt für Ver-käufe aller Art, seien es einzelne Wohnungen, Wohnanlagen oder ganze Pakete an private Investoren oder Genossenschaften sei wegen schwacher Nachfrage z. Zt. eher skeptisch einzuschätzen, von Steuervorteilen könne man nicht allzu viel halten und Investitionsver-pflichtungen seien keine unternehmerische Chance, sondern eine Bedrohung des Profits.
Aber die Kosten- und Renditestruktur der GSW ist für Cerberus von großem Interesse. Kosten verursacht die Verwaltung und da zeigen sich deutliche Einsparungspotenziale und Rendite bringen die Mieten, die bei der GSW noch längst nicht ausgeschöpft sind.
Alles in allem sind die Perspektiven für Cerberus freundlich. Die Mieter/innen werden mittelfristig sicherlich mit Mieterhöhungen zu rechnen haben und eine Reihe der Be-schäftigten der GSW können demnächst ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anbieten.
Aber dennoch eine Bilanz, die in den Privatisierungspolitikern dieser Stadt gewisse Glücksgefühle hervorrufen muss, denn in Frankfurt gibt es schon jetzt 17 Arbeitsplätze mehr.